Die DGB Region Südniedersachsen-Harz berichtet:
In drei Diskussionsrunden mit den Gästen Ruben Heybowitz aus dem Göttinger IT-Unternehmen Arioneo GmbH, mit dem Fachanwalt für Arbeitsrecht Johannes Hentschel, und dem Betriebsratsvorsitzenden der Firma KWS aus Einbeck, Jürgen Bolduan wurde mit den Gästen die Veränderungen durch die permanente Verfügbarkeit zur Kommunikation, aber auch den erfolgreichen Prozessen und den Fallstricken nachgegangen.
Es sei zu beobachten, dass eine Kulturveränderung durch digitale Kommunikationsmöglichkeiten stattfände. Der Wunsch nach Effizienz, Transparenz, Kollaboration, Schnelligkeit sei zunehmend da. Im Weltunternehmen KWS stellt sich auch die Frage, welche Sprache zur Kommunikation gewählt wird, wenn doch 23 Nationen im Konzern vertreten sind. Algorithmen werden in den vertretenen Unternehmen bisher eher nur zur Verarbeitung von Big Data und nicht zur Entscheidung über Personal genutzt. Alle Teilnehmenden standen dem Einsatz von Algorithmen, die über Menschen urteilen und entscheiden sollen, kritisch gegenüber. Ganz nach dem Credo der deutschen Sozioinformatikerin Prof. Katharina Zweig: „Ein Algorithmus hat eben kein Taktgefühl!“ Denn die künstliche Intelligenz irrt sich durchaus und ist nur so gut wie der Programmiercode dahinter, den der Mensch geschaffen hat.
Rechtsanwalt Hentschel warf auf, dass Fehler im Umgang mit neuen Kommunikationsmöglichkeiten häufig daraus resultieren würden, dass Geschäftsführungen neue Kommuniaktions-Tools ohne das Ziel ihres Einsatzes vor Augen zuhaben einführen würden. Bei klarer Zielführung und dem Einbezug des geschulten Betriebsrates sei es jedoch möglich, schnell zu zufriedenstellenden Ergebnissen mit der Belegschaft zukommen. Die Rechtslage sei gut und nahezu ausreichend – was fehle, seien Regelungen über das Einholen externen Know-hows zu Kommunikationstools.
Als es darum ging, die eigenen Erfahrungen zum Thema Kommunikation in der Coronazeit zu teilen, konnten die Teilnehmenden den Faden sofort aufgreifen. Dauernd auf Sendung zu sein wäre keine Freude und brenne uns eher aus, war der Tenor der Teilnehmenden. Kreativität und Entgrenzung standen ganz dich in der Wortwolke, die sich in der digitalen Meinungsumfrage bildete, beieinander. Hier bot Agilist Heybowitz ein paar ganz praktische Vorschläge ein: einfach mal Abschalten! Immer mal wieder am Tag Ton und Anwesenheit im Netz abschalten, um sich so konzertierter wieder zu anderen Zeitpunkten einschalten zu können. Auf diese Weise sei modernes Kommunizieren und heilsames Arbeiten möglich. Im Chat und in den Wortmeldungen wurde dieser Ansatz sehr positiv aufgenommen.
Schließlich war es unser Bestreben, den Teilnehmern zum Abschluss gute Vorschläge und Visionen, mit denen Unternehmen, Betriebs- und Personalräte sowie User digitaler Kommunikationstools und ihren Gebrauch mitgestalten können, mitzugeben. Betriebsrat und Gewerkschaftsfunktionär der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Jürgen Bolduan verwies dafür neben dem bestehende Recht auf die Bedeutung der Pflicht zur Weiterbildung der Beschäftigten. Die Belegschaften müssten ein originäres Interesse daran haben, die Agenda zu setzen und brauchen dafür das entsprechende Know-how.
Ruven Heybowitz setze in seiner Idealvorstellung auf die Veränderung von drei Säulen im Unternehmen: die Entwicklung eines gemeinsamen Bewusstseins für Digitalität. Die Ausstattung des Arbeitsplatzes mit sehr guten Tools. Und auf die Kommunikationskultur, um komplexe Prozesse bedienen zu können. Auf diese Weise können eine ausgewogene Form der digitalen Kommunikation gelingen, ohne dass User ausbrennen.
Auch Arbeitsrechtsexperte Hentschel ist überzeugt davon, dass klare festgelegte Regeln alle Seiten schützen, potenzielle Entgrenzung eindämmen und dem Datenschutz gerecht werden können. Von großem Vorteil sei dabei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem gut informierten Betriebs- und Personalrat, so Hentschel weiter.
Das Fazit der Veranstaltung ist: Wir müssen nicht immer auf Sendung sein, um gute Ergebnisse zu erzielen. Die Entgrenzung fördert nicht die Kreativität. Aber Agiles arbeiten ist die Arbeit der Zukunft, sie wird auf digitaler Kommunikation beruhen. Deswegen setzten wir auf Weiterbilden und Schulen, damit alle die Zügel der Kommunikationstools in der Hand behalten.
Eine Zusammenfassung der virtuellen Diskussion im Videoformat finden Sie hier.